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Fachtagung an der Ev. Akademie Bad Boll „Die Kooperationsvereinbarung über die Integration von Strafgefangenen“

15. Jul. 2019
Der Vorsitzende des Verbands Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg e.V., Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen, begrüßt die Teilnehmer/innen aus der Straffälligen- und Bewährungshilfe, dem Justizvollzug, Vertreter/innen der Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie Sozialämter und Kommunen zur Fachtagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll.

Ganz besonders heißt er den Minister für Soziales und Integration Manne Lucha (MdL) willkommen, der über die Bedeutung der Resozialisierung sprechen wird.

In seiner Begrüßung verweist Achim Brauneisen darauf, dass die Tagung in eine Zeit fällt, in der der Rechtsstaat stark in die öffentliche Diskussion geraten ist und leider Zweifel an dessen Funktionsfähigkeit immer lauter werden. Umso bedeutender sind in diesen Zeiten gute Resozialisierungsangebote, die zu einer gelingenden Integration von straffällig gewordenen Menschen beitragen. „Dadurch helfen wir mit, dass sich die Gesellschaft nicht sozial fragmentiert“, so Achim Brauneisen.

Achim Brauneisen, Vorsitzender Verband Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg e.V.

Der entscheidende Schritt in diese Richtung ist dabei die Kooperationsvereinbarung, durch die sich das Justizministerium, das Wirtschaftsministerium, das Sozialministerium, die Agentur für Arbeit, die kommunalen Spitzenverbände, die Freie Wohlfahrtspflege und die Verbände der Straffälligenhilfe zusammengeschlossen haben. Achim Brauneisen verweist darauf, dass sich in den drei Jahren nach der Unterzeichnung der Vereinbarung viel bewegt hat, was schon allein an der Zusammensetzung der Teilnehmer/innen der Straffälligenhilfetagung 2019 sichtbar wird, die aus den unterschiedlichsten Institutionen kommen.

An den Beginn der Tagung stellt er drei Thesen:
Erstens: Nach allem was er bislang beobachte, hat sich das baden-württembergische Hilfesystem zur Wiedereingliederung von Strafgefangenen bewährt.
Zweitens: Der Abschluss der Kooperationsvereinbarung war eine weise Entscheidung aller Vertragspartner. Ein gesetzliches Korsett, ein Resozialisierungsgesetz, könnte die Dinge in Baden-Württemberg nicht nennenswert verbessern.
Drittens: Die Kooperationsvereinbarung muss nachhaltig mit Leben gefüllt werden. Das ist eine Daueraufgabe. Selbstverständlich muss vieles weiter optimiert werden.
 

Manne Lucha begrüßt als Minister für Soziales und Integration (MdL) die Teilnehmer/innen ebenfalls und verweist auf die Dringlichkeit der Rückeroberung des Faktischen in der Medienwelt. Er macht deutlich wie wichtig es ist, dass das positiv Geleistete sichtbar wird.

Manne Lucha (MdL), Minister für Soziales und Integration

Des Weiteren verweist er drauf, dass Freiheit das höchste Gut ist und dass bei ehemaligen Häftlingen diese Freiheit auch zu einer Herausforderung werden kann. Dies seien dann die Zeiten, in denen die Haftentlassenen sich nicht ohne fremde Hilfe zurechtfinden. In dieser Zeit seien die ersten Monate entscheidend für eine erfolgreiche Resozialisierung und es zählten die Hilfeleistungen: Unterkunft, Arbeit, Suchthilfe, Schuldenberatung und ein stabiles soziales Umfeld.

Minister Lucha zeigt auf, dass die Kooperationsvereinbarung genau an dieser Stelle ansetzt, die Hilfeleistungen festschreibt, regelt und für alle am Resozialisierungsprozess Beteiligten verbindlich macht. Er betont, dass eine Inhaftierung zu keiner Benachteiligung im Sozialhilferecht führen darf. Die Sozialleistungen sind wichtige Starthilfen, auf die Haftentlassene einen Rechtsanspruch haben.

Der Minister schließt seinen Vortrag mit einem herzlichen Dank an die Akteure der Kooperationsvereinbarung und deren wertvolle Arbeit in Baden-Württemberg.
 

Im weiteren Verlauf der Fachtagung kamen Experten aus Wissenschaft, Forschung und der Praxis zu Wort.

Von links nach rechts: Wolfgang Mayer-Ernst, Evangelische Akademie Bad Boll; Daniel Werthwein, Landkreistag Baden-Württemberg; Rainer Pfeiffer, Regionaldirektion der Agentur für Arbeit Baden-Württemberg; Ronny Stengel, Regionaldirektor Ministerium der Justiz und für Europa Baden-Württemberg; Horst Belz, Netzwerk Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg GbR; Christian Ricken, Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg


Sabine Bösing, Fachreferentin und stellv. Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. in Berlin, referiert zum Thema „Die Auswirkung des Wohnungsmangels in Deutschland – Ohne Wohnung, exkludiert und chancenlos“.

Sabine Bösing, Fachreferentin und stellv. Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.

Sie zeigt auf, dass neben der Akquise auch die Prävention in Form des Wohnraumerhalts hohe Bedeutung hat. Ein Ansatz, den die Kooperationsvereinbarung bereits verankert hat, indem dort der Vorrang des Wohnraumerhalts bei einer Inhaftierung von bis zu 12 Monaten festgeschrieben ist.
  • Weitere Informationen siehe Präsentation: Sabine Bösing
 
Dr. Philipp Fuchs, Geschäftsführer des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, geht in seinem Fachvortrag „Erwerbsintegration von besonders arbeitsmarktfernen Personen“ auf die Strategien der Vermittlung und Stabilisierung und die bereits gesammelten Erfahrungen aus dem ESF Bundesprogramm für Langzeitarbeitslose ein.

Dr. Philipp Fuchs, Geschäftsführer des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik

Er zeigt auf, wie Langzeitarbeitslose gezielt in Arbeit vermittelt werden können, welche Begleitung in diesem Prozess erforderlich ist und wie die Hürden in den Vermittlungsbemühungen genommen werden können.
Im besonderen Maße verweist er darauf, dass die Vermittlungsbemühungen und die Arbeit mit dem Klienten bereits in Haft beginnen müssen. Auch diesen Ansatz hat die Kooperationsvereinbarung bereits festgeschrieben, indem beispielsweise die Agenturen für Arbeit die Beratungsangebote und die ersten Vermittlungsbemühungen bereits in Haft aufnehmen.
  • Weitere Informationen siehe Präsentation: Dr. Philipp Fuchs
 
Bernadette Schaffer, vom Kriminologischen Dienst der Justiz in Baden-Württemberg, stellt die Ergebnisse der formativen Evaluation zur Kooperationsvereinbarung in Baden-Württemberg vor.  Sie zeigen auf, dass die Kooperationsvereinbarung im Sinne ihrer Zielsetzung wirksam ist.

Bernadette Schaffer, Kriminologischer Dienst der Justiz in Baden-Württemberg

Der Kriminologische Dienst stellte in den ersten zwei Stufen der Evaluation fest, dass sich die Kooperationsvereinbarung in der Gesamtschau als hilfreich erwiesen hat. Trotzdem zeigten sich natürlich noch Verbesserungsbedarfe, welche bereits von der Steuerungsgruppe der Kooperationsvereinbarung bearbeitet wurden bzw. derzeit bearbeitet werden.

Als besonderer Erfolg kann die Benennung der Ansprechpartner/Innen in den jeweiligen Institutionen angeführt werden. Die zuständigen Fachkräfte sind inzwischen über die Institutionen hinweg bekannt. Dies ist insbesondere für die Zusammenarbeit mit justizfernen Institutionen vorteilhaft. Darüber hinaus zeigt die Evaluation auf, dass durch die Kooperation eine höhere Verbindlichkeit für die einzelnen Arbeitsschritte geschaffen werden konnte. Mehrere schriftliche Kooperationsvereinbarungen auf regionaler Ebene wurden bereits vor Ort geschlossen oder werden in absehbarer Zeit unterschrieben. Bei der Mietkostenübernahme zeigen sich deutliche Verbesserungen. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter bieten inzwischen auf der Grundlage der Kooperationsvereinbarung Beratungen für Gefangene in den jeweiligen Justizvollzuganstalten an.
  • Weitere Informationen siehe Präsentation: Bernadette Schaffer
  • Siehe auch Anhang: 1. Evaluationsbericht zur Kooperationsvereinbarung in BW
(der 2. Evaluationsbericht wird Ende 2019 veröffentlicht)

In der Gesamtschau hat die Fachtagung in Bad Boll aufgezeigt, dass sich das Hilfesystem zur Wiedereingliederung von Strafgefangenen in Baden-Württemberg bewährt hat und der Abschluss der Kooperationsvereinbarung ein wichtiger Meilenstein in der verbindlichen Zusammenarbeit der Akteure im Resozialisierungsprozess war.


Bericht: Julia Herrmann